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Zur Anwendbarkeit des § 573a BGB bei einer mietvertraglichen Kündigungsbeschränkung
Der Bundesgerichtshof hat am 16.10.2013 folgende Pressemitteilung veröffentlicht:
Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob ein Vermieter das Mietverhältnis trotz einer mit seinem
Rechtsvorgänger vereinbarten mietvertraglichen Kündigungsbeschränkung gemäß § 573a BGB kündigen kann.
Die Beklagte mietete mit Vertrag vom 12. März 1998 eine Wohnung im zweiten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses in Berlin. Bei
Vertragsschluss befanden sich in dem Gebäude drei einzeln vermietete Wohnungen. In § 4 des auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen
Mietvertrags heißt es unter anderem:
"Die [Vermieterin] wird das Mietverhältnis grundsätzlich nicht auflösen. Sie kann jedoch in besonderen Ausnahmefällen das Mietverhältnis
schriftlich unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen kündigen, wenn wichtige berechtigte Interessen der [Vermieterin] eine Beendigung des
Mietverhältnisses notwendig machen. Die fristlose Kündigung richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften (siehe Nr. 9 AVB)."
Im Juli 2006 verkaufte die ursprüngliche Vermieterin das Gebäude. Der notarielle Kaufvertrag enthielt eine an spätere Erwerber
weiterzugebende Mieterschutzbestimmung, die eine Kündigung wegen Eigenbedarfs und die Verwertungskündigung ausschloss. Der
Weiterverkauf an die Kläger im Jahr 2009 erfolgte ohne die Mieterschutzbestimmung. Die Kläger legten die beiden Wohnungen im
Erdgeschoss und ersten Obergeschoss zusammen und bewohnen sie seitdem.
Die Kläger kündigten das Mietverhältnis mit Schreiben vom 2. November 2009 zum 31. Juli 2010, da sie die Wohnung der Schwester der
Klägerin überlassen wollten. Am 30. Juni 2010 kündigten sie nochmals vorsorglich wegen Eigenbedarfs und stützten die Kündigung hilfsweise
auf § 573a BGB*. Die Beklagte widersprach beiden Kündigungen unter Berufung auf Härtegründe.
Das Amtsgericht hat die Räumungsklage abgewiesen, das Landgericht hat ihr unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils stattgegeben.
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine Kündigung nach § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB durch die im Mietvertrag enthaltene
Kündigungsbeschränkung ausgeschlossen ist. Gemäß § 566 Abs. 1 BGB tritt der Erwerber vermieteten Wohnraums anstelle des Vermieters in
die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis ein. Dies gilt auch für die Kündigungsbeschränkung. Überdies hat das Berufungsgericht zu
der Frage, ob die Beklagte nach § 574 Abs. 1 BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann, rechtsfehlerhaft den wesentlichen
Kern des Sachverständigengutachtens zu den schwerwiegenden Krankheitssymptomen der Beklagten nicht zu Kenntnis genommen und die
gebotene Abwägung dieser Umstände mit dem Erlangungsinteresse der Kläger unterlassen. Da das Berufungsgericht über die – nicht
generell von der Kündigungsbeschränkung erfasste – Eigenbedarfskündigung noch nicht entschieden hat, war das Berufungsurteil aufzuheben
und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückzuverweisen.
Urteil vom 16. Oktober 2013 – VIII ZR 57/13
AG Berlin-Schöneberg - Urteil vom 24. Mai 2012 – 18 C 200/10
LG Berlin - Urteil vom 19. Februar 2013 – 63 S 232/12
Auswirkungen der Entscheidungen in der Praxis:
1. Der BGH musste sich vorliegend mit einem Fall befassen, in dem eine ursprünglich vereinbarte Kündigungsbeschränkung bei mehrfachem
Verkauf nicht wie vom ersten Verkäufer vorgesehen, im Rahmen des notariellen Kaufvertrages weitergegeben wurde. Es stellte sich somit die
Frage, ob eine solche Kündigunsgbeschränkung quasi verloren gehen kann.
2. Der BGH verneint dies mit Hinweis auf § 566 Abs. 1 BGB. er bestätigt damit den dort niedergelegten Grundsatz “Kauf bricht nicht Miete”. Es
kommt somit nicht darauf an, ob eine solche Kündigungsbeschränkung im notariellen Kaufvertrag weitergegeben wird. Dem ist, unabhängig
von der eindeutigen rechtlichen Regelung des § 566 BGB, auch uneingeschränkt zuzustimmen. Denn der Mieter, der sich diese
Kündigungsbeschränkung im Mietvertrag hat zusichern lassen, hat in aller Regel keine Einflussmöglichkeit, was die Gestaltung des
Kaufvertrages oder einer sonstigen Eigentumsübertragung an der Wohnung betrifft. Würde man also eine Weitergabe der
Kündigungsbeschränkung innerhalb des notariellen Übertragungsvertrages fordern, wäre hier der kreativen Nutzung einer
Eigentumsübertragung Tür und Tor geöffnet.
Der Erwerber hingegen hat letztlich jede Möglichkeit, sich vor dem Erwerb über die mietvertraglichen Regelungen zu informieren und so von
einer möglichen Kndigungsbeschränkung, welche sein eigenes Nutzungsinteresse einschränken könnte, Kenntnis zu erlangen.
3. Der vorliegende Rechtsstreit ist hingegen noch in keiner Weise ausgestanden. Auch wenn eine erleichterte Kündigung nach § 537a BGB
vorliegend auf grund der Kündigungsbeschränkung nicht möglich war, war die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nicht
ausgeschlossen. Hier wird nun zu klären sein, ob einerseits die Kündigung wegen Eigenbedarfs grundsätzlich wirksam ist und ob eine
Räumung auch im konkreten Fall nicht doch die Krankheitssymptome der Mieterin entgegenstehen.
Entscheidung der Woche