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Keine Ausgleichsansprüche nach der Fluggastrechteverordnung bei Verspätung wegen
verzögerter Landeerlaubnis.
Der Bundesgerichtshof hat am 14.11.2013 folgende Pressemitteilung veröffentlicht:
Der Kläger verlangt eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) wegen
erheblicher Verspätung.
Er buchte bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen für den 27. April 2006 eine Flugreise von Hamburg über Paris nach Atlanta. Der
Zubringerflug nach Paris startete pünktlich, landete jedoch verspätet, weil zunächst keine Landeerlaubnis erteilt wurde. Der Kläger verpasste
infolgedessen den pünktlich abgehenden Anschlussflug nach Atlanta. Da ein Weiterflug nach Atlanta erst wieder am nächsten Tag möglich
war, bemühte sich der Kläger um eine entsprechende Verschiebung seines ursprünglich für den 27. April 2006 in Atlanta geplanten
Geschäftstermins. Der Termin konnte jedoch erst mehrere Tage später stattfinden. Der Kläger ließ daher den Flug nach Atlanta entsprechend
umbuchen und reiste nach Hause zurück.
Die Klage, die ursprünglich auch noch auf Ersatz weitergehender Schäden gerichtet war, ist hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs nach der
Fluggastrechteverordnung in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Die vom Landgericht insoweit zugelassene Revision hat der
Bundesgerichtshof zurückgewiesen.
Zwar sind entgegen der Annahme der Vorinstanzen die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der
Fluggastrechteverordnung wegen erheblicher Verspätung erfüllt, weil die verspätete Ankunft des Zubringerfluges in Paris dazu geführt hat,
dass der Kläger sein Endziel Atlanta nicht früher als drei Stunden nach der geplanten Ankunft erreichen konnte. Ebenso wenig ist der
Ausgleichsanspruch ausgeschlossen, weil der Kläger den ihm für den verpassten Anschlussflug angebotenen Ersatzflug nach Atlanta nicht
angetreten hat. Denn der Kläger hat gleichwohl einen nach der Fluggastrechteverordnung auszugleichenden Zeitverlust erlitten.
Allerdings hat die Zurückweisung des Ausgleichsanspruchs durch das Landgericht im Ergebnis gleichwohl Bestand. Die Verspätung des
Fluges beruhte darauf, dass das pünktlich gestartete Flugzeug am Ankunftsflughafen keine Landeerlaubnis erhielt. Damit ging die Verspätung
auf "außergewöhnliche Umstände" im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung zurück, die die Verpflichtung eines
Luftverkehrsunternehmens zu Ausgleichszahlungen entfallen lassen.
Urteil vom 13. November 2013 – X ZR 115/12
AG Hamburg - Urteil vom 2. Februar 2011 – 6 C 218/08
LG Hamburg - Urteil vom 29. August 2012 – 318 S 56/11
Auswirkungen der Entscheidungen in der Praxis:
1. Wieder einmal hatte sich der BGH mit einem Fall zu befassen, bei dem zwar die Reise ohne Verspätung begonnen, jedoch nicht ohne eine
solche bzw. gar nicht beendet werden konnte.
2. Wie die Vorinstanzen kommt der BGH zu dem Schluss, dass ein Anspruch nicht besteht. Da der nächstmögliche Flug erst am folgenden Tag
stattfinden hätte können, erscheint es zunächst wenig erwähnenswert, dass eine Verspätung von mehr als 3 Stunden entsprechend
Fluggastrechteverordnung vorliegt. Die Vorinstanzen haben dies jedoch offensichtlich in Zweifel gezogen. Auch schließt der BGH aus, dass
der Anspruch wegen des Nichtantretens des nächstmöglichen Fluges der Anspruch entfallen sein könnte. Dem ist zuzustimmen, da
andernfalls hier ein auf Grund der (wegen der Verspätung) erforderlichen Verschiebung des Geschäftstermins sinnloser Flug hätte genutzt
werden müssen, um sich die Ausgleichsansprüche der Fluggastrechteverordnung zu erhalten. Dies kann jedoch nachvollziehbar nicht Sinn
dieser Regelung sein. Sinn ist es einen finanziellen Ausgleich für die durch die Verspätung verlorene Zeit zu gewähren. Diesen Zeitaufwand
hatte der Kläger in Folge des Fluges nach Paris inkl. Rückreise, Zeit die der Kläger selbstverständlich nicht aufgewendet hätte, wenn er
gewusst hätte, dass er den Anschlussflug nach Atlanta nicht erreicht.
Dass ein Anspruch durch den BGH dennoch abgelehnt wurde, liegt darin, dass die Erteilung der Landeerlaubnis schlicht nicht im
Einflussbereich der Fluglinien steht. Dies ist Aufgabe der Flugsicherung und die Fluglinie kann hier auch keine Vorkehrungen treffen, so dass
der BGH nachvollziehbar zu dem Schluss kommt, dass der Ausschlussgrund des Art. 5 Abs. 3 der FluggastrechteVO einschlägig ist.
3. In der Praxis hat diese Entscheidung im wesentlichen Auswirkungen im geschäftlichen Bereich zeigen. In diesem Fall kann die
Entscheidung, ob eine Ausgleichszahlung zu leisten ist davon abhängen, ob eine Nutzung des nächsten angebotenen (Anschluss-)Fluges
überhaupt geeignet ist, den Sinn des eigentlichen, wegen Verspätung nicht erreichten Fluges zu erbringen. Gleiches kann theoretisch auch
dann gelten, wenn ereits der Ursprungsflug verspätet ist und sich auch mit diesem der Zweck der Reise nicht mehr erreichen lässt. Wobe in
letzerem Fall zu prüfen wäre, inwieweit ein zeitverlust eingetreten ist, der einem solchen der FluggastrechteVO entspricht.
Auch bei nicht geschäftlichen Bereich sind solche Fallkonstellationen denkbar, werden im Zweifel aber einen weit geringeren Umfang haben.
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